Kapitel 3.2
Prototype Fund
Förderprogramm für die Entwicklung von innovativer Open-Source-Software im Bereich Public Interest Tech
Die stetig wachsende Bedeutung von Technologien, Algorithmen und Daten verlangt einen aufgeklärten und selbstbestimmten Umgang der Nutzer*innen mit diesen. Darüber hinaus ist es essenziell, innovative Technologien nicht (nur) im Interesse der Wirtschaftlichkeit zu entwickeln sondern sie (auch) in den Dienst der Gesellschaft und des Gemeinwohls zu stellen. Deswegen braucht es mehr als gute anwendungsfreundliche Werkzeuge – es fehlt z. B. auch an nachhaltigen technischen und kommunikativen Infrastrukturen, die dazu beitragen, Bürger- und Freiheitsrechte zu wahren. Kurzum: Es braucht mehr Technologien im öffentlichen Interesse – das ist Public Interest Tech.
Häufig forschen und arbeiten Menschen in diesem Bereich ehrenamtlich und/oder in ihrer Freizeit. Sie sind somit nicht dieselben, die von klassischen öffentlichen Fördermaßnahmen abgedeckt werden, denn diese richten sich in der Regel an Unternehmen und etablierte Forschungseinrichtungen. Ein großer Teil des digitalen Ehrenamts wird jedoch von Einzelpersonen und kleinen interdisziplinären Teams geleistet. Weil diese aufgrund unpassender Fördermechanismen ihre Projekte nicht konzentriert verfolgen können, kommt ein enormes Innovationspotenzial nicht zum Tragen. Damit überlassen wir als Gesellschaft digitale Angebote den großen Konzernen und profitorientierter Forschung, fördern das Sammeln teilweise kritischer Daten und proprietäre statt offene Lösungen. Der Bedarf an Alternativen ist entsprechend groß.
Aus diesem Grund wurde mit dem Prototype Fund ein spezieller Förderfond ins Leben gerufen, der sich an Einzelpersonen und kleine Teams richtet, die Open-Source-Software entwickeln – denn so können andere an den Ergebnissen teilhaben und sie weiterverwerten. Gleichzeitig wird mit Policy-Arbeit und unterschiedlichen Themenschwerpunkten bei den Ausschreibungen die technologische Agenda in Deutschland mitgeschrieben. Ein weiteres Ziel des Funds ist die Vernetzung von Akteur*innen und Community-Building in den Bereichen Civic Tech, Data Literacy, Software-Infrastruktur und IT-Sicherheit. Damit soll unter anderem erreicht werden, dass sich mehr Einzelpersonen an gesellschaftlich relevante Themen wagen.
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Das Problem
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Digitale Innovation nutzt häufig nur wenigen und nicht der breiten Gesellschaft.
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Technologien im Interesse des Gemeinwohls erhalten wenig finanzielle Förderung.
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Mögliche Ursachen
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Mangelnde Ressourcen,
Digitales Ehrenamt ist ressourcenintensiv, wird jedoch kaum anerkannt oder finanziert. Das Entwickeln neuer Technologien erfolgt deshalb oft im Interesse von Wirtschaftlichkeit oder Datenverwertbarkeit.
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fehlende Netzwerke
Es gibt für das digitale Ehrenamt und gemeinwohlorientierte Technologieentwicklung kaum Netzwerke, die sich für eine Verbesserung der Situation einsetzen können.
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und die Dominanz großer Unternehmen
Welche technologischen Innovationen gefördert werden, bestimmen derzeit große internationale Konzerne oder Kapitalgeber. Dabei liegt oftmals die Expertise darüber, welche Entwicklungen wirklich benötigt werden oder welche Innovationen der Skalierung bedürfen, in der Gesellschaft – diese wird aber nicht einbezogen.
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führen dazu, dass
digitale Innovation im Dienst der Gesellschaft in Deutschland kaum stattfindet.
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Lösungsansatz
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niedrigschwellige Förderung,
Mit einem einfachen Bewerbungsprozess und einem niedrigschwelligen Förderverfahren zeigen wir, dass die Förderung digitaler Innovationen aus der Gesellschaft möglich und wünschenswert ist.
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Kompetenzaufbau
Coachings in den Bereichen UX/UI und Projektmanagement vermitteln der Open-Source-Community Wissen, das auch bei der Umsetzung weiterer Projekte nützlich sein kann.
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und Sichtbarkeit
(Kleine) Projekte und Prototypen erhalten mehr Sichtbarkeit – über die Website des Prototype Fund, Medien, Konferenzen und andere Veranstaltungen sowie aktive Vernetzungsarbeit.
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Angestrebte Wirkung
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auf Förderer,
Mehr Fördermittel werden Einzelpersonen und kleinen Teams mit niedrigschwelligen Verfahren bereitgestellt.
Die Bereitschaft, prototypische Projekte mit kleineren Summen zu fördern, steigt.
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auf Entwickler*innen,
Förderungen werden als realistische Möglichkeit angesehen, Projekte umzusetzen.
Open Source, User Experience Design und Public Interest Tech werden als Konzepte weiterverbreitet.
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auf die Gesellschaft
Digitales Ehrenamt erfährt mehr Beachtung und Anerkennung.
Es entstehen mehr Tools, Angebote und Infrastruktur für eine souveräne, digital handlungsfähige und informierte Gesellschaft.
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gesellschaftliche Wirkung
Digitale Innovation in Deutschland wird vorangetrieben und mehr digitale Tools sowie sichere Infrastruktur für die Gesellschaft werden geschaffen.
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Was ist 2019 passiert?
Ressourcen
Laufzeit
Das Projekt begann im Mai 2016 und läuft voraussichtlich bis April 2021. Es handelt sich damit für 2019 um eine ganzjährige Laufzeit.
Finanzierung
Das Projekt ist zu 100 % vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. Das Budget für 2019 beträgt 491.215 €.
Personal
Projektleitung: Elisa Lindinger/Adriana Groh | Begleitforschung & Kommunikation: Katharina Meyer | Projektmanagement: Adriana Groh, Thomas Friese, Marie Gutbub, Michael Peters | Controlling: Nadine Evers, Juliane Krüger | technische Administration: Gregor Gilka
Erbrachte Leistungen
- Projektverwaltung und Dokumentation
- Begleitforschung
- Eventmanagement
- Community-Building
- Betreuung der geförderten Projekte
- Vermittlung von Coachings
- Vernetzung
- Öffentlichkeitsarbeit: Social Media, Verfassen eigener Inhalte
- Vorträge auf Konferenzen
- Agendasetting durch Themenschwerpunkte und Auswahlprozess
Output
- 200 Projekte wurden und werden gefördert
- 6 Zwischenberichte
- 1 Abschlussbericht
- 1 Publikation zu Projektende
- 24 Events (Antrags-Workshops, Kickoff-Workshops und Demo-Days)
- 2 Videos pro Runde
- 8 Blogposts zu den Themenschwerpunkten
- 10 Vorträge auf Konferenzen und Fachveranstaltungen
- eine gemeinsame, frei zur Verfügung stehende Wissensbasis
Outcome
- Technologie erlangt einen anderen gesellschaftlichen Stellenwert, da ihre positiven Aspekte gegenüber den Risiken herausgestellt werden.
- Die Geförderten erhalten neue Kompetenzen (UX-/UI-Design, Projektmanagement etc).
- Eine Community aus Open-Source-Entwickler*innen, die ihre Fähigkeiten und Ressourcen in den Dienst der Gesellschaft stellen, wird aufgebaut.
- Es wird gezeigt, wie eine erfolgreiche Projektförderung auch funktionieren kann. Der Fund ist somit Vorbild - und wird in Teilen von anderen Förderern aufgegriffen.
Impact
- Technologien werden nutzerfreundlich und sicher weiterentwickelt.
- Soziales Engagement wird nachhaltiger unterstützt.
- Das Fördersystem wird um eine andere Kultur ergänzt, denn der Prototype Fund fördert Civic-Tech-Projekte und kleine Teams sowie technische Infrastruktur – ohne wirtschaftliche Interessen.
Evaluation
Der Prototype Fund ist ein Forschungsprojekt, das die Frage beantworten will, wie neue Zielgruppen für öffentliche Fördergelder erschlossen werden können und wie die öffentlichen Fördermaßnahmen so angepasst werden können, dass sie für neue Zielgruppen auch nutzbar sind. Einzelpersonen und kleine Teams sind die Zielgruppe des Prototype Funds, denn für diese existiert bisher keine niedrigschwellige Förderung mit öffentlichen Mitteln. Der Prototype Fund richtet sich deswegen gezielt an Softwareentwickler*innen und kleine, interdisziplinäre Teams, die gesellschaftliche Themen vorantreiben.
In der Begleitforschung wird jede Förderrunde bezüglich Outreach, Bewerbungs- und Bewertungsprozess sowie mit Blick auf die Umsetzungsphase evaluiert. Ausgehend von den jeweiligen Ergebnissen werden die Fördermodalitäten von Runde zu Runde angepasst. Besonders hervorzuheben ist hier der Anstieg der Förderquote von 60 % auf 95 % – der Eigenanteil, den die Projekte einbringen müssen, hat sich somit deutlich verringert.
Geförderte Projekte erhalten UX-Coachings, um sich besser auf die jeweilige Zielgruppe einzustellen sowie Coachings zu Projektmanagement. Die Coachings wurden von den geförderten Projekten durchweg als positiv bewertet.
Ausblick
Der Prototype Fund benötigt pro Runde mindestens 75 Einreichungen, um fortgeführt zu werden. Aufgrund der viel größeren Anzahl an Bewerbungen in den ersten beiden Runden wurde das Projekt im Sommer 2017 um zwei Jahre und vier weitere Runden verlängert. Das Programm legt besonderen Wert darauf, mit jedem Call neue Zielgruppen anzusprechen und die Gruppe der Einreichenden weiter zu diversifizieren.